Wo die wilden Bären wohnen. Foto: Zdeněk Macháček/Unsplash

Wo die wilden Bären wohnen

Reportage im DATUM- Seiten der Zeit

Im Trentino sorgt der Braunbär M49 für Konflikte : Die einen wollen ihn loswerden, die anderen verteidigen seine Rechte. Wie viele Bären verträgt eine Tourismusregion ?

Wo die wilden Bären wohnen, tragen die Ortschaften melodisch klingende Namen wie Pinzolo, Folgarida und Andalo und senken sich zwischen bewaldete, nach oben zunehmend felsige Bergspitzen in grüne Täler hinein. Die Menschen in den Häusern mit den typisch roten Ziegeldächern leben meist von der Pracht des Naturparks Adamello-Brenta, indem sie die Almen landwirtschaftlich nutzen oder die Berge den Touristen zur Sommerfrische anbieten. Ein anderer Bewohner auf ledrigen Tatzen hat sich wiederum beides zunutze gemacht, die Natur und den Menschen : Dem Bären mit der Kennzeichnung M49 war die Wildnis in diesem Dolomitengebirge ein Zuhause, und um seinen Hunger zu stillen, hat er sich an landwirtschaftlichen Erträgen der Menschen gütlich getan. Dabei ist er in Ungnade gefallen.

M49, bald hieß er Papillon, war in seinem kurzen Leben schon vieles : Einbrecher, Ausbrecher, sediert, gefeiert, gefürchtet. Im Coronajahr 2020 besuchte der Braunbär unter den interessierten Blicken der italienischen und internationalen Presse leerstehende Almhütten und plünderte Bienenstöcke, wurde deshalb gejagt und eingesperrt und türmte mehrmals aus dem Gehege. M49 gehört zur derzeit größten alpinen Bärenpo­pulation, die mit EU-Mitteln gefördert wurde und nun stetig weiterwächst.

Im vergangenen Herbst wurde er endgültig eingefangen, führt seitdem in einem Tierpflegezentrum bei Trient hinter Zementmauern und Elektrozäunen ein recht eintöniges Leben und wartet darauf, wie über ihn gerichtet wird. Währenddessen verhärten sich außerhalb der Absperrungen die Fronten in der Frage, wie man denn mit Bären umgehen soll, allen voran mit jenen, die wie M49 aus der Reihe tanzen. Wie es scheint, ist die Akzeptanz der Trentiner Bevölkerung dem Bären gegenüber außerdem in den vergangenen Jahren stark gesunken. Will das Trentino seine Bären nicht mehr ? Und geht das noch zusammen, Natur und Zivilisation ?